Neue Gefahrstoffverordnung: Das ändert sich 2023
Wie in unserem Nachbericht zur DCONex angekündigt, soll die neue Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) im 2. Quartal 2023 erscheinen. Doch wen betrifft diese Verordnung eigentlich? Und was sind die wichtigsten Änderungen der neuen GefStoffV? Gibt es Neuerungen zu den Vorschriften im Umgang mit Asbest? Verschaffen Sie sich hier einen Überblick:
Für wen gilt die Gefahrstoffverordnung?
Die Gefahrstoffverordnung gilt für alle Personen und Firmen, die gefährliche Stoffe (nach § 2 GefstoffV) herstellen, importieren, verwenden, Gemische formulieren, Chemikalien in den Verkehr bringen, sie lagern oder als Zulieferer anderen Firmen zur Verfügung stellen.
Die Gefahrstoffverordnung regelt in Deutschland höchstrangig den Umgang mit Gefahrstoffen und soll zum Arbeitsschutz beitragen. Andere Regelungen sind der GefStoffV untergeordnet. Im Konfliktfall ist also immer die Gefahrstoffverordnung zu befolgen.
Was ändert sich mit der neuen Gefahrstoffverordnung?
Mithilfe der neuen GefStoffV soll arbeitsbedingten Krebserkrankungen besser vorgebeugt werden. Nachfolgende Änderungen sollen dabei helfen, dieses Ziel umzusetzen:
- Risikobasiertes Maßnahmenkonzept: Beim Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B soll ein risikobezogenes Maßnahmenkonzept vollständig implementiert werden. Welche Schutzmaßnahmen bei einer Tätigkeit nötig sind, hängt also davon ab, wie hoch das statistische Risiko ist, aufgrund dieser Tätigkeit an Krebs zu erkranken.
- Tätigkeiten mit Asbest: Die neue Gefahrstoffverordnung setzt die Ergebnisse des nationalen Asbestdialogs um. Die Krebsrichtlinie (Richtlinie 2004/37/EG) und die Asbestrichtlinie (Richtlinie 2009/148/EG) liefern europarechtliche Vorgaben, die in die Neufassung der Gefahrstoffverordnung eingeflossen sind.
- Lösen von Rechts-/Vollzugsproblemen: Die Verordnung wurde sprachlich und strukturell verbessert und bisherige Rechts- und Vollzugsprobleme wurden behoben. Die Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung wurden beispielsweise erweitert, sodass nun auch psychische Belastungen berücksichtigt werden, die im Umgang mit Gefahrstoffen entstehen können.
Was ist das Exposition-Risiko-Konzept?
Mithilfe des Exposition-Risiko-Konzeptes wird im Rahmen der neuen Gefahrstoffverordnung erstmals objektiv beschrieben, mit welcher statistischen Wahrscheinlichkeit eine Person berufsbedingt an Asbest erkrankt. Wenn bisher ein Stoff als krebserzeugend der Kategorie 1A oder 1B eingestuft wurde, konnten nur undifferenzierte Maßnahmen getroffen werden.
Das Exposition-Risiko-Konzept berücksichtigt die Werte Akzeptanzkonzentration (10.000 Fasern/m³) und Toleranzkonzentration (100.000 Fasern/m³). Wird die Akzeptanzkonzentration unterschritten, ist von einem geringen Risiko (4:10.000, d.h. vier Erkrankungsfälle auf 10.000 Beschäftigte) auszugehen, im Laufe des Lebens an Krebs zu erkranken. Wird die Toleranzkonzentration überschritten, gilt ein hohes Risiko (4:1.000) einer Krebserkrankung. Ein mittleres Risiko gilt für Faseraufkommen zwischen 10.000 Fasern/m³ und 100.000 Fasern/m³.
Das neue Konzept erlaubt es also, Schutzmaßnahmen bei Arbeiten mit krebserregenden Stoffen der Kategorie 1A und 1B an die Höhe des festgestellten Risikos zu koppeln.
Was ändert sich mit der neuen GefStoffV in Bezug auf Asbest?
- Informations- und Mitteilungspflichten: Wer Tätigkeiten an Gebäuden oder technischen Anlagen beauftragt, die Gefahrstoffe (wie Asbest) enthalten können, muss die ausführende Firma darüber informierten, dass bei den Tätigkeiten besondere Gesundheitsgefahren bestehen. Diese Pflichten bestehen selbst dann, wenn das Vorhandensein der Gefahrstoffe noch nicht nachgewiesen ist.
- Neu formulierte Schutzmaßnahmen: In Anhang I Nr. 3 befinden sich künftig besondere Vorschriften zum Umgang mit bestimmten Gefahrstoffen wie Asbest, zum Beispiel für Firmen, die im Bereich Sach-/Fachkunde tätig sind.
- Schwere der Asbest-Exposition: Statt zwischen fest und lose gebundenem Asbest zu unterscheiden, gelten ab sofort die Einstufungen: geringe, mittlere und hohe Exposition. Privatpersonen dürfen lediglich Tätigkeiten mit geringem Asbest-Expositionsrisiko durchführen; nur ausgebildeten Fachfirmen ist es erlaubt, Tätigkeiten mit hoher Exposition auszuüben.
- Verbotene und erlaubte Tätigkeiten: der neue § 11 GefStoffV beinhaltet Regelungen, die zuvor u.a. in der TRGS 519 und der LV 45 festgehalten waren. Beispielsweise darf nicht vollständig beschichteter Asbestzement nicht gereinigt oder beschichtet werden. Das Überbauen asbesthaltiger Teile ist verboten, wenn diese bei früherem Einbau einzeln befestigt wurden (z.B. Floor-Flex-Platten).
- Ausnahmen zum Überdeckungsverbot von Asbest: Generell dürfen asbesthaltige Baustoffe nicht überdeckt werden. Jetzt werden Ausnahmen genau definiert. Erlaubt ist es beispielsweise, asbesthaltigen Putz zu tapezieren oder zu streichen.
- Erkundungsgebot: Allen vor dem deutschlandweiten Asbestverbot (31.10.1993) errichteten Gebäuden wird (widerlegbar) unterstellt, dass asbesthaltige Materialien enthalten sein können. Auch für Privathaushalte gilt: Wer Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten in Bauwerken durchführen möchte, muss vor Beginn der Arbeiten entsprechende Informationen einholen.
- Arbeitgeber-Pflichten und -Anforderungen: Sanierungs- und Bauunternehmen, die mit asbesthaltigen Baustoffen umgehen, sollten sich die neuen Paragraphen § 10 und § 10a GefStoffV genau ansehen. Darin geht es u.a. um verpflichtende Asbest-Messungen am Arbeitsplatz, Schutzkleidung, Fachkundenachweis gemäß TRGS und korrekte Kennzeichnung von Arbeitsbereichen mit Asbest-Expositionsrisiko.
Wir hoffen, Sie konnten sich einen guten Überblick über Änderungen der Gefahrstoffverordnung verschaffen. Wir freuen uns auf die baldige Veröffentlichung der neuen Regelungen und hoffen, dass diese zu einem besseren Schutz von Arbeitnehmern und Privatpersonen vor einer Gesundheitsgefährdung durch Asbest beiträgt. Insbesondere die Informations- und Meldepflichten für Firmen wie auch private Hausbesitzer, aber auch die Risikoermittlung auf Basis der Faserkonzentrationen machen zuverlässige gerichtsfeste Asbest-Analysen wichtiger denn je. Mit etwas Glück stellt sich nach einer Asbest-Analyse heraus, dass keine besonderen Schutzmaßnahmen nötig sind – wenn das Prüfergebnis nachweist, dass kein Asbest vorhanden ist.