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Asbest im Babypuder: Johnson & Johnson will Rechtsstreit mit 8 Mrd. Euro beenden

Seit Jahren stehen Babypuder des Herstellers Johnson & Johnson unter Verdacht, mit Asbest verunreinigt zu sein und Krebs zu verursachen. 2018 haben investigative Journalisten von Reuters dem Pharmakonzern vorgeworfen, bereits in den 70er Jahren von teilweise asbest-kontaminierten Talkum-Produkten gewusst zu haben, während öffentlich weiterhin deren Asbestfreiheit beteuert wurde. Als Belege führte Reuters interne Dokumente wie Prüfberichte an, in denen verschiedene Labore teils „ziemlich hohe“ Asbest-Werte in J&J-Kosmetika nachwiesen.

Inzwischen sieht sich Johnson & Johnson mit etwa 40.000 Klagen (einigen Quellen zufolge mehr als 60.000 Klagen) konfrontiert. Viele Klägerinnen machen das Produkt „Baby Powder“ für ihre Erkrankung an Eierstockkrebs verantwortlich. Um den Rechtstreit beizulegen, hat J&J kürzlich eine Vergleichszahlung in Höhe von 8,1 Mrd. Euro (8,9 Mrd. US-Dollar) angeboten. Ob die Klagenden und das Gericht diese annehmen, ist noch unklar.

Wie kommt Asbest in Babypuder?

Der mineralische Inhaltsstoff Talk absorbiert Feuchtigkeit und verbessert die Textur von Produkten. Daher wird Talkum seit Jahrzehnten in Körperpflegeprodukten wie Babypuder, Körper- und Gesichtspuder, Deopuder, Kajalstiften und Liplinern eingesetzt.

Dass regelmäßig Asbest in Talkumpuder gelangt, führen US-Wissenschaftler auf die Art und die Orte des Talkum-Abbaus zurück. So seien die Mineralvorkommen, die zur Herstellung der US-Produkte genutzt werden, durchweg mit amphibolischem Asbest wie Tremolit und Anthophyllit kontaminiert.

Kommt Asbest nur in US-Kosmetikprodukten vor?

Nein, Asbest in Talkum ist kein rein US-amerikanisches Problem. Eine Untersuchung im Jahr 2019 zeigte beispielsweise, dass Asbest in indischen Talkprodukten ebenfalls häufig vorkommt [Fitzgerald et al. 2019].

In unserem Labor haben wir in der Vergangenheit zahlreiche Talkumrohstoffe, Specksteine und talkumhaltige Produkte untersucht, darunter auch Kosmetika. Dabei konnten wir regelmäßig Asbestfasern nachweisen – insbesondere die Amphibole Tremolit und Anthophyllit, selten Aktinolith und Chrysotil. Das Problem dürfte demnach ebenso bei uns in Europa bestehen.

In welchen Bereichen wird Talkum eingesetzt?

Kosmetika sind nur ein kleiner Verwendungsbereich für Talkum. Er wird ebenfalls als Füllstoff in der industriellen Erzeugung von Papier und Zellstoff, Farben und Lacken sowie Gummi-, Kunststoff- und Keramikwaren verwendet. Weitere Einsatzgebiete sind z.B. die Medizin (Pudergrundstoff, Gleitmittel) und die Lebensmittelindustrie. Weniger bekannt ist, dass Talkum auch als Streckmittel für Marihuana verwendet wird.

Kann Asbest Eierstockkrebs auslösen?

Verschiedene Studien haben eine auffällige Häufung von Eierstockkrebs-Fällen bei Frauen festgestellt, die mit asbest-verunreinigten Babypudern in Kontakt gekommen waren [Berge et al. 2018][Steffen et al. 2020][Slomovitz et al. 2021]. Es besteht also zumindest die Möglichkeit, dass Asbest schwerwiegende Krankheiten auslösen kann – auch abseits der bekannten, durch Einatmen von Fasern verursachten Lungenerkrankungen.

60 % aller Mesotheliome bei Frauen nicht berufsbedingt

Das Mesotheliom (Brustfellkrebs) ist als asbestbedingte Berufskrankheit bekannt. Untersuchungen zufolge können jedoch etwa 60 % aller Mesotheliome bei Frauen nicht auf arbeitsbezogene Expositionen zurückgeführt werden. Während von 1999 bis 2010 die Sterblichkeit für Männer an asbestbezogenen Krankheiten fiel, blieb sie für Frauen stabil [Baumann & Carbone 2016]. Bei der Gesamtzahl der Erkrankungen liegen Männer noch vorn, in der Altersgruppe der unter 50-Jährigen liegen Frauen und Männer allerdings gleichauf.

Diese Zahlen legen nahe, dass Asbest in Produkten des täglichen Bedarfs (wie Kosmetika) weitreichende Folgen haben – insbesondere, wenn diese Produkte bei ihrer Anwendung zerstäubt und auf das Gesicht aufgetragen werden. Dann ist die Gefahr groß, dass Asbestfasern eingeatmet werden. Da typische asbestbedingte Krankheiten eine sehr lange Latenzzeit von 20 bis 30 Jahren haben, ist es oft unmöglich, die Fälle auf eine eindeutige Exposition zurückzuführen.

Weitere Infos zum Thema Asbest in Talk – inklusive spannender Details zu Messmethoden und Nachweisgrenzen – können Sie im Blogeintrag unseres Kollegen Dr. Gunnar Ries nachlesen: Asbest in Talk, mehr als ein kosmetisches Problem!

Weitere Quellen: