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Zerstörungsfreie Analyse von Feuerwehrbekleidung auf Asbest/KMF

Entwicklung eines Verfahrens zur zerstörungsfreien Analyse von Feuerwehrbekleidung auf Asbest und Künstliche Mineralfasern

Dr. Stefan Pierdzig1), Axel Meyer2), Dr. Jochen Kuhl2), Ralf Klaus Blecher1)

1) CRB Analyse Service GmbH, Bahnhofstraße 14, 37181 Hardegsen
2) MeyerundKuhl Spezialwäschen GmbH, Schmiedewiese 1, 37181 Hardegsen


Zerstörungsfreie Analyse von Feuerwehrbekleidung (PDF 1,8 MB)

Einleitung

Im Februar 2019 wurden in Kooperation mit MeyerundKuhl Spezialwäschen GmbH unterschiedliche Stoffe (PBI Matrix, Nomex, X55) für die Herstellung von Feuerwehrkleidung mit Asbest kontaminiert und durch Asbestmessungen an diesen Stoffen vor und nach der Wäsche die Waschleistung des Reinigungsverfahrens für die Asbestarten Chrysotil und Amosit beurteilt. Hierzu wurden die Stoffmuster bei 450°C in einem Muffelofen verascht und die Asche rasterelektronenmikroskopisch als Supensionspräparat in Anlehnung an die Richtlinie VDI 3866, Blatt 5, Anhang B:2017-06 mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM)/Röntgenmikroanalyse (EDX) analysiert (vergl. Blecher et al., 2019).

Durch dieses Verfahren konnte die hohe Waschleistung belegt werden, da aber eine Entnahme von Stoffproben aus Einsatzbekleidung zur Überprüfung auf eine mögliche Asbest oder KMF-Kontamination in der Routine nicht möglich ist, wurde ein Verfahren für eine zerstörungsfreie Probe-nahme entwickelt und deren Wirksamkeit überprüft und validiert.

Eine zerstörungsfreie Beprobung von Feuerwehrkleidung nach einem Einsatz kann nur durch Aufnahme oberflächlich abgelagerter Stäube durch ein geeignetes Medium erfolgen. Hinzu kommt das Problem, das die Kleidung nach einem Einsatz häufig nass oder zumindest feucht ist.

Klassische Beprobungsmethoden für Stäube durch mit leitfähigen Kohlenstoffpads bestückte Aluminiumteller scheiden aus, da hier die aufnehmbare Staubmenge zu gering ist. Die Verwendung von Streifen definierter Länge und Breite aus Klebefilm erscheint in der Praxis nicht anwendbar.

Voruntersuchungen

handelsübliche Fusselrolle mit abziehbaren Klebeblättern

Abbildung 1: handelsübliche Fusselrolle mit abziehbaren Klebeblättern

Als praktikable Lösung für eine großflächige Probenahme auf Feuerwehrkleidung wurde schließlich eine handelsübliche Fusselrolle mit abziehbaren Klebepapieren in Betracht gezogen.

Da eine direkte Analyse der Klebefläche der Papiere aufgrund ihrer großen Fläche und einer anzunehmenden nur geringen Belastung mit kanzerogenen Fasern ausscheidet, müssen mineralische Bestandteile des Präparates angereichert werden. Hierzu wurden die Papiere analog klassischer Präparationsverfahren bei der Asbestanalyse – vergl. VDI 3866, Blatt 5 - bei 450 °C über 8 Stunden verascht.

Der Aschegehalt der Papiere ist mit etwa 30 Masse% sehr hoch, so dass die Anreicherung für einen sicheren Nachweis kanzerogener Fasern noch zu gering ist, zumal mögliche Fasern in der mikrokristallinen Asche aus Calciumcarbonat (Kreidepulver) nur schwer zu detektieren und analysieren sind.

Eine weitere Anreicherung mineralischer Bestandteile kann analog VDI 3866, Blatt 5, Anhang B:2017-06 durch die Behandlung der Asche mit 10%iger Salzsäure, anschließender Suspension der Probe in einer definierten Wassermenge und Filtration durch einen goldbedampften Kernporenfilter erfolgen. Dieser weitere Präparationsschritt reichert mineralische Bestandteile je nach Belastung des Filterpapiers um mindestens das 10-fache bis hin zum 50-fachen (2% säureunlöslicher Rest in der Asche des Klebepapiers) in einer weitestgehend unbelasteten Probe an (vergl. Abbildungen 2 und 3).

veraschtes Fusselrollenpapier aus mikrokristalliner Kreide Probe nach Säurebehandlung auf einem goldbedampften Kernporenfilter
Abbildung 2: veraschtes Fusselrollenpapier aus mikrokristalliner Kreide Abbildung 3: gleiche Probe nach Säurebehandlung auf einem goldbedampften Kernporenfilter

Test von Probenahme und Analyseverfahren an einer kontaminierten Feuerwehrjacke

Versuchsanordnung, Durchführung der Probenahme

Vorbereitung für die Kontamination einer FeuerwehrjackeAbbildung 4: Vorbereitung für die Kontamination einer Feuerwehrjacke

Von MeyerundKuhl Spezialwäschen GmbH wurde eine ausrangierte Feuerwehrjacke zur Verfügung gestellt, die in Simulation von Einsatzbedingungen mit 2 Asbestarten und künstlicher Mineralwolle beaufschlagt werden sollte.

Hierzu wurden jeweils 100 mg Chrysotil (Weißasbest), Amosit (Braunasbest) und Künstliche Mineralfasern (handelsübliche Glaswolle) abgewogen.

An der Testjacke wurden Halsausschnitt, Ärmel und Bund mit Klebeband verschlossen und die Jacke sowie die 3 Faserproben in ein 100 l Fass mit verschließbarem Deckel gegeben.

Versuchsanordnung für die Beaufschlagung der Testjacke mit Asbest und KMF

Abbildung 5: Versuchsanordnung für die Beaufschlagung der Testjacke mit Asbest und KMF

Die verschlossene Tonne wurde 2 min lang gedreht, gewendet und gerollt, die Jacke anschließend entnommen und an folgenden Messpositionen

  • Ärmel links
  • Ärmel rechts
  • Vorderseite
  • Rückseite

die Oberfläche der Jacke mit dem Fusselroller abgerollt. Hierbei wurde in den 4 Bereichen je 3x eine Strecke von 60 cm abgerollt, wodurch sich bei der Breite der Rolle von 10 cm eine beprobte Fläche von etwa 1800 cm2, also knapp 0,2 m2 ergibt.

In einem 2. Versuchsschritt wurden zur Jacke und dem in der Tonne verbliebenen Rest an Fasern ein Liter Wasser gegeben (Simulation von Regen, Löschwasser) und der Vorgang aus Rollen der Tonne und Beprobung der 4 Messbereiche an der feuchten Jacke wiederholt. Hierdurch sollte geklärt werden, ob der Fusselrollentest auch an nasser Kleidung durchführbar ist.

Abbildung 6: Blindprobe und je 4 Klebepapiere der Probenahmen trocken und nass

 

 

 

 

 

 

 

 

Durchführung der Analytik

Eine Blindprobe sowie die insgesamt 8 Klebepapiere wurden, wie unter Punkt 2 beschrieben, bei 450 °C verascht. Ein kleiner Teil der Asche wurde direkt als Streupräparat präpariert, je 50 mg der verbleibenden Asche mit Säure behandelt, in 250 mg Wasser suspendiert und 20 ml der Suspension durch einen goldbedampften Kernporenfilter mit 0.8 µm Porenweite filtriert. Die Analyse der Streu- und Filterpräparate erfolgte gem. Richtlinie VDI 3866, Blatt 5, wobei hier nur qualitativ ausgewertet und aufgrund der hohen Belegungsdichte keine Quantifizierung der Messergebnisse, z.B. in Fasern cm-2 Stoff, vorgenommen wurde.

Streupräparat Ärmel links trocken - Chrysotil Filterpräparat Ärmel links trocken - Chrysotil
Abb. 7: Streupräparat Ärmel links trocken - Chrysotil Abb. 8: Filterpräparat Ärmel links trocken - Chrysotil
Streupräparat Ärmel links trocken - Amosit Filterpräparat Ärmel links trocken - Amosit
Abb. 9: Streupräparat Ärmel links trocken - Amosit Abb. 10: Filterpräparat Ärmel links trocken - Amosit
 Streupräparat Ärmel links trocken - Glaswolle Filterpräparat Ärmel links trocken - Glaswolle
Abb. 11: Streupräparat Ärmel links trocken - Glaswolle Abb. 12: Filterpräparat Ärmel links trocken - Glaswolle

Ergebnisse: In allen 8 Teilproben konnten sowohl beide Asbestarten als auch Glaswolle nachgewiesen werden.
 

Die Sichtbarkeit der einzelnen Fasern ist erwartungsgemäß in den säurebehandelten und filtrierten Proben wesentlich besser als in den Streupräparaten (vergl. Abbildungen 7 bis 12).

Eine vermeintlich geringe Menge von je 100 mg Asbest und Glaswolle auf einer Jacke in einem 100 l Tonne führt zu einer erheblichen Faserbelastung der Bekleidungsoberfläche und kann nach Probe-nahme mit einer Fusselrolle durch ein standardisiertes Prüfverfahren für Asbest (VDI 3866, Blatt 5) zuverlässig nachgewiesen werden.

Überprüfung des Testverfahrens an Bekleidung aus einem Einsatz mit möglicher Asbestkontamination

Zeitgleich mit der Durchführung der Untersuchung der von uns kontaminierten Feuerwehrjacke erhielten wir über MeyerundKuhl Spezialwäschen GmbH einen Satz aus 3 Hosen und 4 Jacken aus einem realen Feuerwehreinsatz mit vermuteter Asbestkontamination. Die Kleidungsstücke waren einzeln in verschlossenen Plastiksäcken verpackt. Eine Jacke war trocken, alle anderen Kleidungsstücke waren feucht bis nass.

An diesen Proben wurde der Fusselrollentest mit Analyse als Streu- und als Filterpräparat wiederholt und zusätzlich eine Beprobung der Innenseite der Tüten durch mit leitfähigen Kohlenstoffpads bestückte Aluminiumteller durchgeführt.

Ergebnisse

  • Tupfprobe Innenseite Tüte: In 2 von 7 Proben Chrysotilasbest nachgewiesen
  • Streupräparat des veraschten Klebepapiers: In 6 von 7 Proben Chrysotilasbest unter erhöhtem analytischem Aufwand (erhöhte Auswertefläche) nachgewiesen
  • Säurebehandelte Asche des Klebepapiers, Filterpräparat: in allen 7 Proben Chrysotilasbest nachgewiesen
Streupräparat - Chrysotil Filterpräparat - Chrysotil
Abbildung 13: Streupräparat - Chrysotil Abbildung 14: Filterpräparat - Chrysotil

Bewertung der Waschleistung nach Reinigung der Testjacke durch MeyerundKuhl Spezialwäschen GmbH

Nach Abschluss der Tests wurde die Testjacke der MeyerundKuhl Spezialwäschen GmbH zur Reinigung nach deren speziellen Waschverfahren für kontaminierte Feuerwehrbekleidung übergeben, gereinigt und an uns zurück überstellt.

Nach dem unter Punkt 3 beschriebenem Verfahren wurden Ärmel links und rechts, Vorder- und Rückseite mittels Fusselrolle beprobt und die Proben als Streu- und Filterpräparat untersucht. Um ein gesichertes Untersuchungsergebnis zu erhalten, wurde der analytische Aufwand gegenüber VDI 3866, Blatt 5 erhöht und je Präparat 100 mm2 (von 380 mm2) Fläche bei unterschiedlichen Vergrößerungen analysiert.

Ergebnisse

In keinem der 4 Präparate konnten eine der beiden Asbestarten oder Glaswolle nachgewiesen werden. Somit ist anzunehmen, dass die Waschleistung durch die von MeyerundKuhl Spezialwäschen GmbH durchgeführte Reinigung für alle 3 Faserarten vollständig ist, bzw. die verbleibende Kontamination so gering ist, dass sie durch vertretbaren analytischen Aufwand nicht mehr nachzuweisen ist.

von Asbest gereinigte Feuerwehrjacke - Ärmel links von Asbest gereinigte Feuerwehrjacke - Ärmel rechts
Abbildung 15: gereinigt - Ärmel links Abbildung 16: gereinigt - Ärmel rechts
mit Asbest kontaminierte Feuerwehrjacke - gereinigt - Vorderseite Feuerwehrkleidung - Asbest-gereinigt - Rückseite
Abbildung 17: gereinigt - Vorderseite Abbildung 18: gereinigt - Rückseite

Beurteilung der Nachweisempfindlichkeit des Verfahrens

Sämtliche Ansätze zur Abschätzung der Nachweisempfindlichkeit eines Verfahrens zur Asbestanalyse von den hier vorliegenden Material- oder Staubproben sind massebezogen (vergl. VDI 3866, Blatt 5, BIA/IFA-Verfahren 7487, ISO 22262-2).

So kann für das hier angewendete Prüfverfahren gem. VDI 3866, Blatt 5, Anhang B:2017-06 eine Nachweisempfindlichkeit von 0,001 Masseprozent Asbest/KMF oder besser in der Asche angenommen werden. Dies sagt jedoch zunächst nichts über die Belastung der Bekleidungsoberfläche durch Faserstrukturen (Einzelfasern, Faserbündel) und das mögliche Faserfreisetzungspotential nach einem Einsatz aus.

Berechnung der Nachweisgrenze für die Analyse von Asbest und KMF auf FeuerwehrbekleidungTabelle 1: Berechnung der Nachweisgrenze für die Analyse von Asbest und KMF auf Feuerwehrbekleidung

Auf den 7 Präparaten der untersuchten Feuerwehrkleidung (vergl. Kap. 4) aus einem realen Einsatz konnten unter Standardbedingungen einer Asbestuntersuchung gemäß VDI 3866, Blatt 5 (ausgewertete Fläche 43 mm2 Filterfläche bei 50-, 200-, 1000- und 2000-facher Vergrößerung am Auswertebildschirm) zw. 4 und 16 Faserstrukturen nachgewiesen werden. Nach erster Einschätzung und im Vergleich mit den Filterpräparaten der künstlich mit Asbest und KMF beaufschlagten Jacke mit mehreren tausend Faserstrukturen pro mm2 scheint das eine eher geringe Kontamination darzustellen, die aber zuverlässig nachzuweisen ist.

Zur Berechnung der Nachweisempfindlichkeit des Verfahrens wird in Anlehnung an VDI 3492, Messen von Innenraumluftverunreinigungen, die Poisson-Statistik herangezogen. Diese besagt vereinfacht, dass bei einem Zählergebnis „0 Fasern“ der tatsächliche Wert mit 95 %-iger Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 2,996 Fasern liegt. 

Aus den Parametern für Probenpräparation und Analytik (vergl. Tabelle 1) ergibt sich den oberen Poissonwert 3 (bei einem Zählergebnis 0) eine Nachweisempfindlichkeit von 0,4 Fasern pro cm2, bzw. 3682 Fasern pro m2 Stoff.

Zusammenfassung

Tests an Bekleidung aus einem Feuerwehreinsatz mit möglicher Asbestkontamination sowie einer mit 3 Faserarten beaufschlagten Testjacke zeigen, dass die Verwendung eines Fusselrollers ein geeignetes Verfahren für die Aufnahme mineralischer Stäube für eine anschließende Analyse ist. Diese Form der Probenahme funktioniert sowohl bei trockener als auf nasser/feuchter Einsatzkleidung.

Mit der Richtlinie VDI 3866, Blatt5:2017-06 existiert ein geeignetes und zuverlässiges Analyseverfahren, um durch Veraschen, Säurebehandlung und Suspendierung/Filtration mineralische, faserförmige Bestandteile in der Probe anzureichern und mit ausreichender Empfindlichkeit mittels REM/EDX im Filterpräparat nachweisen zu können.

Die über die Poisson-Statistik abgeschätzte Nachweisempfindlichkeit des Verfahrens liegt bei 0,4 Faserstrukturen pro cm2 Stoff.

Literatur

Blecher, Kuhl, Meyer & Pierdzig - Testverfahren zur Waschleistung / Dekontaminierung von Feuerwehrtextilien bei Asbest-Belastung, 2019

IFA/BIA 7487:1997-04 - Verfahren zur analytischen Bestimmung geringer Massengehalte von Asbestfasern in Pulvern, Pudern und Stäuben mit REM/EDX

ISO 22262-2:2014-09 - Luftqualität - Feststoffe - Teil 2: Quantitative Bestimmung von Asbest mit gravimetrischen und mikroskopischen Verfahren

VDI 3492:2013-06 - Messen von Innenraumluftverunreinigungen - Messen von Immissionen - Messen anorganischer faserförmiger Partikel - Rasterelektronenmikroskopisches Verfahren

VDI 3866, Blatt 5:2017-06 - Bestimmung von Asbest in technischen Produkten - Rasterelektronenmikroskopisches Verfahren