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Nachbericht zur DCONex 2019: Gebäudeschadstoffe und Bauen im Bestand

Am 30. und 31. Januar hat das CRB-Team an der DCONex 2019 in Essen teilgenommen. Bei dem Kongress für Schadstoffmanagement und Altlastensanierung mit begleitender Fachausstellung standen die Gebäudeschadstoffe wieder weit oben auf der Agenda. Die Bedeutung dieses Themas spiegelte sich in der erneut gewachsenen Größe der Veranstaltung wider: Die Schadstoff-Messe lockte noch einmal deutlich mehr Teilnehmer als in den Vorjahren an und bot ein noch breiter gefächertes Programm mit Beiträgen, die teilweise in drei Sälen parallel stattfanden.

In diesem Jahr war CRB erstmals mit eigenem Stand auf der DCONex vertreten. Hier konnten die Besucher nicht nur verschiedene Exponate (wie unterschiedliche Asbest-Minerale) bestaunen, sondern auch persönlich mit unserem Team ins Gespräch kommen.

CRB-Stand auf der DCONex 2019

Natürlich haben wir den Kongress auch genutzt, um uns über aktuelle Themen aus dem Bereich Schadstoffmanagement und insbesondere zum Umgang mit Asbest zu informieren. Nachfolgend einige Eindrücke aus und Gedanken zu Kongress-Beiträgen:

Schadstoffe beim Bauen im Bestand

Das Thema „Bauen“ assoziieren wir meist mit einem Neubau. Dabei wird weitaus öfter im Bestand gebaut. Hierzu zählen Umbau, Sanierung, Modernisierung und Ertüchtigung von bereits bestehenden Gebäuden. Dieser Bereich des Bauens ist es auch, bei dem man sich häufig mit (verbauten) Gebäudeschadstoffen auseinandersetzen muss.

Bei der DCONex 2019 erläuterte Peter Schurkraft, welche Herausforderung Gebäudeschadstoffe für staatliche Bauherren darstellen. In Baden-Württemberg befinden sich rund 8.000 Gebäude in staatlichem Besitz. Davon sind ca. 4.500 zwischen 1950 und 1990 errichtet worden – also in dem Zeitraum, der hinsichtlich der Gebäudeschadstoffe als kritisch gilt. Dazu kommen noch ältere Gebäude, die in diesem Zeitraum saniert oder renoviert wurden.

Je nach Motivation, ob das Gebäude zurückgebaut, saniert oder technisch ertüchtigt werden soll, oder ob akute Gefährdung der Nutzer vorliegt, müssen entsprechende Strategien entwickelt werden. Dabei zeigt sich wohl ein Problem im Architekturstudium: Die meisten wollen entwerfen. Das Bauen im Bestand ist vermutlich weit weniger beliebt und das Thema Gebäudeschadstoffe wird etwas zu stiefmütterlich behandelt.

Hans-Dieter Bossemeyer von der Wessling GmbH gab in seinem Kongress-Beitrag einen Überblick über die Gefahren, die im Baubestand lauern können. Es folgte ein schneller Flug über die verschiedenen Gebäudeschadstoffe und deren Bedeutung. Asbest spielt dabei nicht nur als Schadstoff in bestehenden Gebäuden und beim Rückbau eine Rolle, sondern sollte auch beim Recycling von Baumaterialien im Blick behalten werden.

Hans-Dieter Bossemeyer von der Wessling GmbH bei der DCONex 2019
Hans-Dieter Bossemeyer von der Wessling GmbH

Maßnahmen aus dem Nationalen Asbestdialog

Die Berichterstattung über den Nationalen Asbestdialog hat sich in den vergangenen Jahren bereits als fester Bestandteil der DCONex etabliert. Andrea Bonner von der BG BAU gab einen Überblick über die bisherigen Ergebnisse und einen Ausblick. So soll eine Fachdatenbank Gebäudeschadstoffe sowie eine Informationsplattform über Asbest erstellt werden. Außerdem will man die Exposition besonders bei Handwerksarbeiten im Bereich Putze, Fliesenkleber und Spachtelmassen erfassen.

Der Nationale Asbestdialog soll auch in diesem Jahr fortgesetzt werden. Zu den aktuellen Themen zählt die Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung (GefahrstoffV) und der TRGS 519. Über den Stand der Dinge informierte uns Frau Dr. Birgitta Höwing von der Wessling GmbH. Zudem sollen die LASI Leitlinien zur Gefahrstoffverordnung LV 45 aktualisiert herausgegeben werden – unter Berücksichtigung aktueller Urteile z.B. hinsichtlich des Verdeckungsverbotes (Magdeburger Morinolfugen-Urteil).

Weiteres unter: www.asbestdialog.de

Baumaterialien trotz Schadstoffen recyceln?

DCONex-Vortrag zur VDI-Richtlinie 6202 Blatt 3Ein verstärktes Recycling von Baumaterialien ist ein wichtiger Schritt, um Ressourcen zu schonen und eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Doch wie sollen wir mit den vielen Gebäudeschadstoffen umgehen? Wie stellen wir sicher, dass beispielsweise Asbest möglichst ein für alle Mal aus dem Kreislauf verschwindet?

Zunächst müssen natürlich die Schadstoffe im Gebäude identifiziert werden. Martin Kessel von der Arcadis Germany GmbH berichtete bei der DCONex 2019 über die Arbeiten an der VDI-Richtlinie 6202 Blatt 3: schadstoffbelastete bauliche und technische Anlagen – Erkundung und Bewertung – Asbest. Diese geplante VDI-Richtlinie leitet sich aus dem Diskussionspapier der GVSS und des VDI von 2015 über die verdeckten Asbestprodukte wie Putze, Fliesenkleber und Spachtelmassen her. Ein erster Entwurf dieser neuen Richtlinie wurde für das erste Halbjahr 2019 angekündigt.

Auch Hans Albrich von der GIU GmbH befasste sich in seinem Vortrag mit dem Recycling von Material aus dem Rückbau. Er behandelte die neue VDI-Richtlinie 3876 und ihre Anwendung in der Praxis mit der Frage, ob die LAGA M23 hinsichtlich der Definition von Asbestfreiheit noch zeitgemäß ist.

Da die VDI-Richtlinie 3876 erst im November 2018 erschienen ist, liegen hierzu aus der Praxis noch keine Erfahrungen vor. Diese Richtlinie befindet sich in einer Konfliktzone zwischen zwei berechtigten Interessen:

  • Zum einen sollen im Rahmen einer guten Kreislaufwirtschaft alte Baumaterialien recycelt und damit die natürlichen Ressourcen geschont werden.
  • Zum anderen muss ein Schutz vor Asbest und anderen Schadstoffen gewährleistet sein, die in den wiederverwerteten Baumaterialien stecken können.

Was gilt als „asbesthaltig“?

In der GefahrstoffV wird der Wert von 0,1 Massen% genannt. Da das Gefährdungspotential von Asbest jedoch nicht von der Masse abhängt, sondern von der Anzahl lungengängiger Fasern, ist die Bedeutung dieses Wertes unklar: Stellt er die Grenze zwischen gefährlichem und ungefährlichem Abfall dar? Oder lag dieser Wert vielmehr an den Nachweisgrenzen der eingesetzten analytischen Verfahren?

Hier fehlt die Grenze zwischen verwertbaren und nicht verwertbaren Bauabfällen. Das Problem bei Asbest ist, dass er fast überall in den Baumaterialien vorkommt. Nicht immer wurde die Faser bewusst zugefügt, sondern hat sich in einigen Fällen im Gefolge eines unverdächtigen Materials quasi durch die Hintertür eingeschlichen. Je genauer die analytischen Verfahren werden, desto öfters trifft man diese Asbeste an. 

Statt zwischen asbesthaltig und asbestfrei könnte auch eine Aussage zur Verwertbarkeit getroffen werden. Zum Beispiel, ob ein Material asbestarm ist und unter bestimmten Bedingungen für bestimmte Verwendungen zugelassen wird. Da der Schadstoff inhalativ wirkt, aber nicht durch andere Materialien hindurch diffundiert, könnte ein risikobasierter Ansatz helfen.

An analytischen Verfahren haben wir mittlerweile ein kleines Arsenal zur Verfügung. Von der ISO 22262-2 :2014-02 und der VDI 3866 Blatt 5 Anhang B :2017-06 mit ihren 0,001 Massen%, dem BIA/IFA Verfahren 7487 mit 0,008 Massen% und der VDI 3876 mit 0,005 bzw. 0,001 Massen% als Nachweisgrenze. Diese Nachweisgrenzen sind allerdings nur geschätzt. Die Erfassungsgrenzen sind nicht bestimmt. Die Erkennbarkeit ist, neben den Geräteparametern, auch subjektiv vom Prüfer abhängig. Die Bestimmungsgrenzen sind kaum ermittelbar.

Asbest und Recyclingmaterial

Die neue VDI-Richtlinie 3876 soll die Vorgehensweise zur Aufbereitung von Proben aus Bau- und Abbruchabfällen sowie daraus gewonnenen Recyclingmaterialien, die entsprechend DIN 19698 respektive LAGA PN 98 genommen wurden, festlegen, wenn diese qualitativ auf Asbest untersucht werden sollen. Weiterhin legt sie ein quantitatives Verfahren zur Bestimmung des Asbestgehaltes der Proben fest.

Hier stellen sich jedoch die Fragen: Ist ein Positivbefund mit der Einschätzung als gefährlicher Abfall gleichzusetzen? Und warum wird ein quantitatives Verfahren eingeführt, wenn kein Grenzwert existiert?

Dazu kommt eine enorme Probenmenge. Denn laut der DIN 19698 sollen für 500 m³ mindestens 9 Laborproben genommen werden: Jede dieser 9 Proben wird nach der Korngröße in 5 Fraktionen (F1 > 10 mm, F2 > 3 bis 10 mm, F3 > 0,25 bis 3 mm, F4 > 0,1 bis 0,25 mm und F1 < 0,25 mm) aufgeteilt und diese gewogen. Die gröberen Fraktionen F1 und F2 werden anschließend gewaschen, damit eventuell asbesthaltige Partikel besser erkennbar sind. Diese werden abgetrennt und ihre Masse bestimmt. Die Gesamtmasse der asbesthaltigen Partikel ist die Basis der Gehaltsbestimmung.

Aus den Fraktionen F3 und F4 werden immerhin noch Faserstrukturen extrahiert, während F5 direkt auf dem Probenteller präpariert wird. Genügt für die Fraktionen F1 bis F4 die „normale“ VDI 3966, so wird für die Fraktion F5 der Anhang B herangezogen. Das macht die Sache etwas sperrig und auch recht teuer. Aus unseren ursprünglichen 9 Proben für 500 m³ werden 45 Proben – darunter 5 mit erweiterter Präparation, deren Kosten über den normalen Analysen liegen.

Zur routinemäßigen Überwachung eines Grenzwertes ist diese Methode daher weniger geeignet. Hier ist vermutlich mit guten Schadstoffkatastern und Vorerkundung viel mehr zu gewinnen.

Das „Aus“ für Recyclingbaustoffe?

Außerdem stellt sich die Frage, wie viele von den Proben und deren Fraktionen einen Positivbefund aufweisen dürfen, bis das gesamte Material als asbesthaltig und damit als gefährlicher Abfall deklariert werden muss. Absolut asbestfreien Bauschutt wird es vermutlich (noch) nicht geben, zumindest nicht sehr häufig. Der überwiegende Anteil der bei entsprechenden Maßnahmen anfallenden Massen dürfte das eine oder andere Asbestvorkommen beinhalten. Man denke nur an die vielen verdeckten Asbestprodukte, die sich meist nicht ohne Weiteres lokalisieren oder abtrennen lassen. Zudem lassen sich manche asbesthaltigen Bauteile vor Abbruch oft nicht erkennen, so z.B asbesthaltige Abstandshalter aus dem Betonbau.

Im Sinne der Ressourcenschonung und der Schonung des vorhandenen Deponie-Raumes muss hier dringend eine praktikable Lösung gefunden werden, die sowohl dem Vorsorgegedanken dient als auch die Verwendung von Recyclingbaustoffen ermöglicht. Dazu gehört auch, dass Asbest am besten überhaupt nicht in die fraglichen Halden gelangt. Auch wenn dies vermutlich nicht immer funktioniert. Es bleibt die Frage, auch im Hinblick auf die zukünftige Mantelverordnung, wo hier die Gesamtstrategie ist. Die Diskussion müsste eigentlich schon seit längerer Zeit geführt werden.

DCONex-Auditorium im großen Saal - CRB

Urban Mining – Szenarien für zukünftige Baustoffströme

Bauschutt als Betonzuschlagsstoff

Nachdem über das Recycling aus der Perspektive der Schadstoffe gesprochen wurde, richtete Hermann Keßler vom Umweltbundesamt den Blick auf die Gebäude- und Infrastruktur als wichtige Rohstoffquelle. Die Bedeutung wird vielleicht verständlicher, wenn man sich die Dimensionen anschaut: Alleine im Wohn- und Gewerbegebäudebestand finden sich 10,1 Mrd. Tonnen Baumaterialien. Für alle Gebäude und Infrastruktur sind es ca. 51,7 Mrd. Tonnen.

Für die Bautätigkeit werden in Deutschland pro Jahr rund 235 bis 253 Mio. Tonnen Sand und Kies gefördert. Als Abbaufläche entspricht das gut 2240 Fußballfeldern oder 14 Quadratkilometern. Dagegen macht sich der Bauschutt und Straßenaufbruch im Jahr 2014 mit seinen 68,2 Mio. Tonnen noch klein aus. Aber immerhin 55,3 Mio. Tonnen davon wurden als Recyclingmaterial verwendet. Wenn man Aufbereitungen aus Steinen und Boden mit einbezieht, stellten RC-Materialien im Jahr 2014 gut 12,3 % des Bedarfs sicher.

Leider wird davon aber nur ein kleiner Teil als hochwertiger Betonzuschlag zurück in den Hochbau geführt und ersetzt hier Naturkies. In Zukunft soll sich das ändern. Denn das würde nicht nur unsere natürlichen Ressourcen schonen, sondern auch den Landschaftsverbrauch durch Kiesgruben etc. minimieren. Bis zum Jahr 2020 könnte so ein Viertel des Kiesbedarfs durch RC-Material gedeckt werden. Aufgrund des zu erwartenden demografischen Wandels könnte dieser Anteil bis zum Jahr 2050 sogar auf 36 % steigen.

Gipsrecycling

Pro Jahr fallen rund 650.000 Tonnen an Gips im Bauschutt an. Die bisherige Recyclingrate liegt im einstelligen Prozentbereich. Deponierung ist vermutlich vergleichsweise kostengünstig, denn die wenigen Gips-Aufbereiter klagen über zu geringe Annahmemengen.

Der Verbrauch an Gipskartonplatten liegt in Deutschland bei rund 2,1 Mio. Tonnen. Von den oben erwähnten 650.000 Tonnen Gipsabfällen wären gut 510.000 Tonnen recyclingfähig. Das wäre sicher ein wichtiger Weg, die wertvollen Naturressourcen in diesem Bereich zu schützen. Denn Zur Zeit wird der Gipsbedarf zu 40 % aus Naturgipsabbau und zu 60 % aus Rauchgasentschwefelung gedeckt. Letztere Gipsquelle wird aber im Zuge eines mehr oder weniger schnellen Ausstiegs aus der Kohleverstromung wegfallen.

Bei dem Thema dürfen die möglichen Schad- und Störstoffe in den Bauabfällen jedoch nicht vernachlässigt werden. Neben dem bereits erwähnten Asbest kommen da z.B. noch PCB hinzu oder auch Vanadium im Ziegelrecycling. Hier wird sicher für die betreffenden Wiederverwerter und Analyselabore in Zukunft viel zu tun sein. Vermutlich wird das Rohstoffpotenzial unserer Bauten in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.

Arbeiten an schadstoffbelasteten Gebäuden und Anlagen

Peter Götzelmann und Klaus-Thomas Maxeiner von der Götzelmann Consulting GmbH berichteten über Erfahrungen mit öffentlichen Ausschreibungen hinsichtlich schadstoffbelasteter Gebäude. Dabei kann der Wissensstand der ausschreibenden Stellen stark schwanken. Dieser Wissensstand beeinflusst aber auch die Qualität der Ausschreibungen beträchtlich.

Insgesamt war die diesjährige DCONex wieder eine interessante Veranstaltung, auch wenn wir längst nicht alle Vorträge besuchen konnten. Wer sich mit dem Thema Gebäudeschadstoffe, deren Erkundung, Analyse oder Sanierung beschäftigt, der sollte die DCONex in seinen Kalender aufnehmen. Die nächste Ausgabe findet am 22. und 23. Januar 2020 statt.