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Nachbericht: 30. Forum Asbest und andere Schadstoffe in technischen Bauwerken

Am 11. und 12. November 2021 fand im Haus der Technik, Essen, das 30. Forum Asbest statt. Nachdem wir 2020 nur an den Online-Angeboten der Tagung teilnehmen konnten, waren wir beim 30. Forum wieder persönlich vor Ort. Hier eine Zusammenfassung unserer Eindrücke vom Event:

Zur aktuellen Asbest-Situation in der Schweiz

Wie im Vorjahr gab Clemens Jehle einen interessanten Einblick in die aktuellen Asbest-Themen und Entwicklungen in der Schweiz.

Um die Qualität von Asbest-Analysen und Analyseberichten zu steigern, hat der schweizerische Fachverband für Gebäudeschadstoffe FAGES eine neue Richtlinie verabschiedet. Darin sind die Mindestanforderungen an Berichte über Material- und Raumluftproben auf Asbest präzisiert. Zusätzlich befasst sich die Richtlinie mit Anforderungen hinsichtlich der Unabhängigkeit von Kontrollen und mit dem Thema Liegestäube. Erfahrungsgemäß kann in Liegestäuben immer wieder Asbest nachgewiesen werden, während in der Raumluft dazu keinerlei relevante Asbestbelastung messbar ist. Daher stellt sich die Frage, inwiefern diese Stäube als Maßstab für die Qualität einer Sanierung oder für eine Gefährdungsabschätzung herhalten können.

Bei Raumluftmessungen nach VDI 3492 wird in der Schweiz häufig fehlerhaft oder zumindest problematisch gearbeitet. So werden zum Beispiel die Messungen zur Erfolgskontrolle vom Sanierer selbst angefertigt, keine visuelle Kontrolle durchgeführt, die Nutzungssimulation fehlerhaft umgesetzt oder ganz weggelassen, auf den Selbstschutz (PSA) verzichtet, die Geräte nicht gewartet oder kalibriert, Messbedingungen nicht im Protokoll erfasst und Berichte weder vollständig noch nachvollziehbar gestaltet. Ob diese Probleme nur in der Schweiz auftreten, wo (wie auch in Deutschland) zunehmender Preisdruck herrscht, konnte nicht geklärt werden.

Neuigkeiten im Bereich Asbestsanierung:

  • Gründung eines Verbands der Asbestsanierer
  • Steigende Anzahl der von der SUVA anerkannten Fachfirmen für Asbestsanierung
  • Sinkende Anzahl der Auszubildenden zum Asbestsanierer nach EKAS Richtlinie 6503 (das Schweizer Gegenstück zur TRGS 519 in Deutschland) – möglicher Grund: erhöhte Anforderungen an Asbestsanierer

Gebäudeschadstoffe: Aktuelles aus Deutschland

Olaf Dünger von der Competenza GmbH sprach beim 30. Forum Asbest über die neuesten Gebäudeschadstoff-Entwicklungen in Deutschland.

  • März 2021: GVSS Handlungsempfehlung zum Thema asbesthaltige Brandschutzklappen
  • Juni 2021: DGUV-Information 201-012 zum Thema emissionsarme Verfahren nach TRGS 512 für Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien

Das veraltete emissionsarme Verfahren Berstlining gerät zunehmend in die Kritik. Bei dieser Sanierungsmethode für Faserzementleitungen wird die vorhandene alte Leitung geborsten und in das umgebende Erdreich verdrängt. Es muss ein Eintrag in das Altlastenkataster erfolgen und der Wert des Grundstücks kann dadurch gemindert werden. Die Methode darf daher nur mit Zustimmung des Grundstückseigentümers und nur in Ausnahmefällen angewendet werden – wenn ansonsten erhebliche Erschwernisse und Mehrkosten zu erwarten wären, wie etwa bei der Unterquerung von Straßen, Bahnkörpern oder Gewässern. In Bayern ist Berstlining nicht zulässig.

Sanierungsverfahren mit geringer Asbest-Exposition

Über die Bedeutung der Verfahren geringer Exposition und ihren zeitlichen Ablauf referierte Andrea Bonner vom Ministerium für Arbeit und Soziales beim 30. Asbest Forum. Geprüfte, standardisierte Arbeitsverfahren sollen sicherstellen, dass die Exposition der Beschäftigten unter dem geltenden Grenzwert liegt (zu Anfang noch 15.000 Fasern/m³ Raumluft) und dass bei Arbeiten in Innenräumen diese nach Abschluss nicht kontaminiert sind.

Laut der 2014 überarbeiteten TRGS 910 darf bei Tätigkeiten mit geringer Exposition die Akzeptanzkonzentration von 10.000 Fasern/m³ Raumluft nicht überschritten werden. Bei Tätigkeiten im Inneren von Gebäuden muss die Raumluftkonzentration unter 500 Fasern/m³ liegen sowie der obere Poissonwert unter 1.000 Fasern/m³. Emissionsarme Verfahren sind bei der Sanierung und bei Instandhaltung mit Oberflächenabtrag zwingend vorgeschrieben; bei Abbrucharbeiten sollen sie zumindest bevorzugt werden.

Zukünftig sollen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Instandsetzungsarbeiten gelten:

  • Kein hohes Risiko für die Beschäftigten sowie keine Gefährdung anderer Personen
  • Nutzungsdauer des asbesthaltigen Materials darf nicht erreicht sein
  • Überdeckungsverbot: Asbesthaltiges Material darf nicht auf eine Weise kaschiert werden, die späteres Erkennen erheblich erschwert oder verhindet
  • Späteres vollständiges Entfernen des asbesthaltigen Materials darf nicht erheblich erschwert werden

Dr. Simone Peters von der BG Rohstoffe und chemische Industrie sprach über die Entwicklung neuer Verfahren mit geringer Asbest-Exposition. Folgende Regelwerke sind hierfür maßgeblich:

  • TRGS 519 (v.a. die Expositions-Risiko-Matrix) – insbesondere für die Arbeiten an asbesthaltigen bauchemischen Produkten wie den Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern
  • DGUV Information 201-012 „Emissionsarme Verfahren nach TRGS 519 für Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien“

Welche Herausforderungen sich bei der Umsetzung der Verfahren mit geringer Exposition in der Praxis ergeben, erörterte Christoph Hohlweck vom Gesamtverband der Schadstoffsanierung beim 30. Forum Asbest.

So wurde beispielsweise die Frage aufgeworfen, inwiefern die emissionsarmen Verfahren gemäß TRGS 519 regelkonform seien. Sie fordern keine lüftungstechnischen Maßnahmen, obwohl Asbestfasern freigesetzt werden (vgl. GefStoffV $ 7, Grundpflichten, angemessene Be- und Entlüftung). Zudem entsprechen sie (oft) nicht (mehr) dem Stand der Technik hinsichtlich der Minimierung der Asbest-Exposition.

Asbest in Bauschutt und Recyclingmaterial

In seinen Ausführungen zur VDI 3876 in der Praxis berichtete Dr. Bernd Sedat vom Sachverständigenbüro Dr. Sedat, wie schwierig es ist, in Recyclingmaterial gelangten Asbest wieder zu entfernen. Auf der Halde sei es vielleicht noch halbwegs möglich, nachträglich zu separieren; nach Aufbereitung und Brechen zu kleineren Korngrößen sei es nahezu unmöglich. Dr. Philipp Stelter von der APC GmbH schilderte ähnliche Erfahrungen. Bei Untersuchungen von Proben von verschiedenen Bauschuttaufbereitungsanlagen konnte in allen Anlagen Asbest nachgewiesen werden. 8 von 20 untersuchten Laborproben waren asbesthaltig, 2 sogar oberhalb eines Gehalts von 0,005 Massen-%.

Über Konflikte und Lösungsansätze für die Wiederverwendung von Baumaterial sprach Dr. Alexander Berg von der AB-Dr. A. Berg GmbH. Um die gleichmäßige Verteilung von Asbest in neuen Bauprojekten zu verhindern und keine unendliche Sanierungsgeschichte heraufzubeschwören, muss bei der Herstellung von Recycling-Baumaterial verhindert werden, dass asbesthaltiger Bauschutt in das Recyclingprodukt gelangt.

Vor einem Abriss müssen Gebäude in einem geregelten Prozess (gem. VDI 6202 Blatt 3) von Asbest entfrachtet werden. Hier sollte eine Kontrollmethode existieren, um die fachgerechte Durchführung zu prüfen. Dr. Bergs Vorschlag zum Erkennen von Kontaminationsschwerpunkten im Bauschutt: eine Hotspot Beprobung nach LAGA PN 98 und Anwendung der statistischen Betrachtung der VDI 6202 Blatt 3.

Was ist geogener Asbest?

Als geogener Asbest wird Asbest bezeichnet, der dem Material nicht bewusst zur Verbesserung der Materialeigenschaften hinzugefügt wurde. Anders als „technischer Asbest“ sind diese Asbestminerale als „Trittbrettfahrer“ zusammen mit anderen Zuschlagstoffen mitgeschleppt worden oder sie sind Teil der natürlichen Mineralparagenese eines Materials.

Beim 30. Forum Asbest erläuterte Dr. Kay Menckhoff von der Wartig Nord Analytik GmbH die Unterschiede der beiden Asbestvorkommen. Vor allem Chrysotil, aber auch Amosit, Krokydolith und Anthophyllit sind technisch häufig verwendete Asbestarten. Andere Asbeste werden selten technisch eingesetzt, tauchen aber in Zuschlagstoffen auf. Tremolite können beispielsweise in PVC vorkommen, wo sie sich durch ihr energiedispersives Elementspektrum und ihre Spaltbarkeit verraten.

Morphologische Kriterien zur Unterscheidung von technischem und geogenem Asbest:

  • Technischer Asbest:
    • Extrem faser- und nadelförmig
    • Uniforme Fasern
    • Meist lungengängig
  • Geogener Asbest:
    • Oft asbesttypische Spaltbarkeit, stellenweise sehr dünne Fasern
    • Häufig säulige oder prismatische Minerale
    • Abmessung oft deutlich über den Kriterien für Lungengängigkeit der WHO (durch einfache Spaltbarkeit können jedoch schnell lungengängige Fasern freigesetzt werden)

Asbesthaltige Brandschutzklappen

Zum Umgang mit asbesthaltigen Brandschutzklappen gab Dr. Uwe Koop von der IBUK GmbH Handlungsempfehlungen. So müsse ein Gebäudebesitzer regelmäßig die Funktionstüchtigkeit der Brandschutzklappen nachweisen. Meist weigern sich Prüforganisationen, Funktionsprüfungen ohne umfangreiche Schutzmaßnahmen gemäß TRGS 519 durchzuführen. Wer ein Gebäude ohne Einhaltung der Brandschutzvorschriften betreibt, macht sich allerdings strafbar.

Wie man asbesthaltige Brandschutzklappen am Ende ihrer Nutzungsdauer emissionsarm austauschen kann, zeigte René Laarmann vom Bau- und Lieganschaftsbetrieb NRW. Dabei ist zu beachten, dass neben dem Klappenblatt auch die Anschlagdichtung asbesthaltig sein kann. Michael Mund vom Ingenieurbüro Mund erklärte, welche Vorschriften für die Sanierung von asbesthaltigen Brandschutzklappen gelten.

VDI Richtlinie 6202 Blatt 3

Über erste Praxiserfahrungen zur im September erschienenen VDI Richtlinie 6202 Blatt 3 „Asbest – Erkundung und Bewertung“ berichtete Martin Kessel von der Arcadis Germany GmbH.

Diese neue Richtlinie richtet sich an alle Baubeteiligten, wie etwa Bauherren, Planer, Sachverständige und Ausführende, und gibt ihnen Hilfestellung, zum Beispiel bei der Erstellung eines Probenahmeplans. Sie gilt für die Erkundung und Bewertung von Asbest in baulichen und technischen Anlagen sowohl beim Betrieb als auch bei Baumaßnahmen, Wertermittlung oder Abbruch. Sie gilt jedoch nicht für Erdbauwerke, Deponien und kontaminierte Böden.

Fazit

Wir haben uns gefreut, wieder persönlich am Forum Asbest teilnehmen können. So konnten wir neben den spannenden Fachvorträgen auch den Austausch mit anderen Tagungsteilnehmern, Kollegen und alten Bekannten genießen. Einen noch umfassenderen Nachbericht zum 30. Forum Asbest können Sie im scilogs.spektrum.de-Blogeintrag unseres Mitarbeiters Dr. Gunnar Ries nachlesen.